Ungewöhnliches Wohnen Die Schlossherren von Hemsendorf
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Hausboot, Bahnhof, Wasserturm: Manche Menschen in Sachsen-Anhalt wohnen an ungewöhnlichen Orten. So auch Familie Köhler. Sie lebt im Wasserschloss Hemsendorf in Jessen – ein Traum für Kinder und Geschichtsfans. Die Sanierung des Schlosses ist eine Lebensaufgabe.

- Das Wasserschloss Hemsendorf in Jessen bei Wittenberg ist ein Spielparadies für Kinder.
- Ines und Uwe Köhler sind seit knapp 20 Jahren mit der Sanierung und Restaurierung beschäftigt.
- Zu ihrem Schloss fanden sie als freiwillige Helfer bei der Flut 2002.
Ein Kindergeburtstag bei den Köhlers ist wie ein Tag in Hogwarts, wenn Harry Potter und die anderen in den Ferien sind. Im Keller gibt's ein Gruselkabinett. Bei all den Nischen und langen Gardinen kann man stundenlang Verstecken spielen. Und manchmal darf die Geburtstagsgesellschaft auch mit einer Matratze die herrschaftliche Treppe herunterrutschen.
Ines und Uwe Köhler leben seit knapp 20 Jahren im Wasserschloss Hemsendorf in Jessen, Landkreis Wittenberg. Mit drei Kindern zog das Paar damals ein. Sie wohnen zum Teil noch immer dort – zusammen mit den insgesamt vier Enkelkindern. So wird's in den 49 Räumen und Fluren auch heute nie zu leise.
Da spürt man die Geschichte und weiß, dass man nur Gast ist.
Mit ihrem Zuhause hat sich Ines Köhler einen Kindheitstraum erfüllt. Immerhin lebte ihre Tante auch schon in einem Schloss. "Das Haus war ein Abenteuerspielplatz", erinnert sie sich. Ihre Faszination heute hat aber noch einen anderen Grund: "Jeden Tag gehen wir durch Räume, wo schon ganz viele Menschen vor uns durchgelaufen sind und entdecken Sachen, die andere gemacht haben. Da spürt man die Geschichte und weiß, dass man nur Gast ist." Wer ihr und ihrem Mann zuhört, wie sie drei Stunden lang über ihr Schloss erzählen – und da haben sie sich schon auf das Wichtigste beschränkt –, der merkt: Diese Schlossherren sind die Art Gäste, die an der Haustür ungefragt die Schuhe ausziehen und nach dem Essen das Geschirr mit abräumen.
Hier gab's auch schon einen Konsum und eine LPG-Kantine
Das Paar aus Hessen hat das Schloss in vielen Schritten wieder zu dem gemacht, was es einmal war. Denn in den Jahrzehnten zuvor hatte man es kreuz und quer zweckentfremdet. Es war Kita, Konsum, LPG-Kantine und Flüchtlingsunterkunft. Um mehr über den Ursprungszustand zu erfahren, durchstöberten die Köhlers Archive; einmal fuhren sogar mal bis nach Dresden ins Staatsarchiv. Bis heute begleitet eine Restauratorin jeden Schritt, selbst kleinste Malereien bereitet sie auf. Ein Traum für jede Denkmalbehörde.
So einiges sieht inzwischen schon wieder aus wie früher: der große Saal zum Beispiel, das Herrenzimmer oder der Damensalon. Fertig sind die Köhlers aber noch lange nicht. "Das ist eine Lebensaufgabe, wahrscheinlich sogar generationenübergreifend", sagt Ines Köhler. Um sich die leisten zu können, verzichten die beiden Jahr für Jahr auf Urlaub.
Als Fluthelfer ins Schloss verliebt
Ihrem Schloss verfallen sind die Köhlers damals übrigens erst auf den zweiten Blick. Im Sommer 2002 kamen sie als Fluthelfer nach Jessen. Nach Tagen in verwüsteten Wohnungen lotste man sie in den Schlosskeller. Da standen die beiden nun mitten im Müll, der Boden bedeckt mit Matsch. Dazu der modrige Gestank in der Nase. Mit Schutzanzug und in gebückter Haltung befreiten sie die Räume von verrotteten Schränken und ranzigen Matratzen. Aber als sie am Abend durch das Schloss schritten, sich dann auf eine Bank setzten und auf den Park schauten, umgeben von völliger Stille, da war's um sie geschehen.
Aus der Geschichte des Schlosses
Das Wasserschloss Hemsendorf ist mehr als 600 Jahre alt. Ines und Uwe Köhler kauften es 2003, davor stand es neun Jahre lang leer und wurde von einem Förderverein verwaltet. Nach 1945 diente es zum Beispiel als Konsum, Kita und LPG-Kantine. Viel früher gehörte es unter anderem einem Bankier, einem Landgerichtsrat und einem General.
Kapelle wird schon seit 2007 restauriert
In diesem Jahr lassen Ines und Uwe Köhler in ihrem Schloss die Haupttreppe restaurieren. Dann müssen sie nicht mehr den Dienstbotenaufgang nehmen. Bald folgen noch die Bibliothek und das Schlafzimmer im Ostflügel – mit verstecktem Bad hinter einem begehbaren Kleiderschrank. Ein Projekt im Schloss wird die beiden wohl noch viele Jahre beschäftigen: die Kapelle. 1954 wurde sie zerstört, schon seit 2007 läuft der Wiederaufbau. Hier hoffen die Köhlers auch auf Förderung vom Landesverwaltungsamt.
Schon oft haben die beiden ihre Kapelle für die Bewohner aus Jessen und Umgebung geöffnet. Vergangenes Weihnachten aber hielten sie dort mit ihren Kindern und Enkeln ihre ganz persönliche Andacht ab.
Über die Autorin
Elisa Sowieja-Stoffregen arbeitet seit September 2021 für MDR SACHSEN-ANHALT. Nach ihrem Studium in Erfurt hat sie lange bei der Volksstimme gearbeitet, vor allem als Landesreporterin. Nun nimmt sie zu ihren Terminen neben Zettel und Stift auch Smartphone und Mikrofon mit.
Die gebürtige Magdeburgerin ist für MDR SACHSEN-ANHALT als Reporterin vor allem in den Gemeinden und kleinen Städten unterwegs. In ihrer Freizeit hechtet sie gern Badmintonbällen hinterher und testet immer mal wieder, wie viele "Warum?"-Fragen am Stück sie kindgerecht und mit pädagogischer Finesse beantworten kann, bevor ihr ein "Weiell-das-so-ist!" herausrutscht.
MDR (Elisa Sowieja-Stoffregen)
MDR SACHSEN-ANHALT
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