Vor Ort statt digital 18. Neiße Filmfestival in der Lausitz: verschoben, verkürzt, aber programmstark
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Lange überlegten die Organisatorinnen, ob sie das Neiße Filmfestival 2021 ins Netz verlegen sollen. Doch am Ende lief es auf eine Verschiebung in den September hinaus. Dafür startet das Filmfest nun aber in allen drei Ländern und vor allem: in Kinos zum Beispiel in Zittau und Großhennersdorf. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr aus Filmen über Europa.

Im Frühjahr zeichnete sich bereits ab, dass im Mai keine reguläre Ausgabe des Neiße Filmfestivals möglich sein würde, auch keine Open-Air-Varianate. Also überlegte man, mit dem Festival online zugehen. Aber es gab zahlreiche Argumente, die dagegen sprachen: beispielsweise weil der Festivalcharakter verloren ginge, wenn jeder nur zu Hause am eigenen Rechner Filme anschaut. Denn gerade die Begegnung zwischen Filmschaffenden und dem Publikum machen die Atmosphäre eines solchen Events aus.
Auch technische Probleme hätten eine virtuelle Ausgabe des trinationalen Festivals unmöglich gemacht. Einige Produktionsfirmen und Filmverleihe vergeben nicht für alle Filme Rechte in den drei Ländern – Deutschland, Polen und Tschechien. Auch das sogenannte Geoblocking würde es unmöglich machen, dass überall ein reichhaltiges Programm verfügbar wäre. Außerdem müssten dann alle Filme mit den jeweils anderen zwei Sprachen untertitelt werden. "Der Verlust des regionalen Effekts, diese Einbindung in die Region – das war für uns ganz wichtig, zu berücksichtigen.", meint Ola Staszel vom Leitungsteam des Neiße Filmfestivals
Daher wurde das Neiße Filmfestival erneut in den September verschoben. Ein Kraftakt! Auch weil das gesamte kuratierte Programm an vier statt wie regulär an sechs Tagen gezeigt werden soll: mehr als 60 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme in drei Wettbewerben sowie mehrere begleitende Filmreihen.
Blick auf Europa im Dreiländer-Eck
Die diesjährige Fokusreihe nimmt Europa filmisch in den Blick. Die Produktionen erkunden, was Europäer verbindet, was sie trennt, wie wir Europa heute erleben und wie die Zukunft des Kontinents aussehen kann. "Der europäische Gedanke ist etwas, das aus uns allen Kindern macht und Europa als so ein Mutterbild erschien uns in dem Zusammenhang am sinnvollsten", erklärt Ola Staszel den Titel des Schwerpunkts: Mother Europe. "Vielleicht gibt es stiefmütterlich behandeltet Kinder. Das Bild einer Mutter, die sich um ihre Kinder kümmern sollte, aber das nicht immer schafft, erschien uns als passend", führt die Organisatorin weiter aus.
Auf das Parkett der europäischen Finanzpolitik begibt sich in der Reihe beispielsweise der Film "Adults in the Room" vom Großmeister des Politthrillers Costa-Gavras aus dem Jahr 2019. Er hat das gleichnamige Sachbuch des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis ins Spielfilmformat gebracht.
Es ist ein Politdrama über die Verhandlungen Griechenlands mit den Euro-Partnern während der Staatsschuldenkrise – eine griechische Tragödie, wenn man so will, über politische Erpressung und Intrigen, unter anderem mit Ulrich Tukur in der Rolle des unnachgiebigen Finanzministers Wolfgang Schäuble. Mit Blick auf die Rolle Deutschlands dabei neigt man fast zu Verschwörungstheorien, denn tatsächlich war es schwierig, überhaupt an eine Filmkopie heranzukommen. In Deutschland gibt es keinen Verleih und so war man beim Neiße Filmfestival auf einen Frankreich-Import der Blu-ray über Amazon angewiesen.
Raritäten auf den Lausitzer Leinwänden
Wie "Adult in the Room", der bisher kaum bis gar nicht in deutschen Kinos gezeigt wurde, stehen noch andere Filmperlen auf dem Programm. Vor allem Produktionen aus Osteuropa haben es schwer, einen Verleih zu finden und es auf die Leinwände hierzulande zu schaffen. Insofern bietet das Neiße Filmfestival eine einmalige Gelegenheit für deren Entdeckungen.
Weitere Informationen
Das 18. Neiße Film Festival findet vom
16. bis 19. September 2021 statt.
Spielzeiten des Eröffnungsfilms "Je suis Karl":
am 16. September, 19 Uhr im Kunstbauerkino Großhennersdorf
am 16. September, 19 Uhr im Kronenkino Zittau
am 16. September, 20 Uhr in der Kulturfabrik Meda in Mittelherwigsdorf
Spielzeiten des Films "Adults in the Room" im Fokus "Mother Europe":
am 18. September, 19 Uhr im Kronenkino Zittau
am 19. September, 19 Uhr im Kunstbauerkino Großhennersdorf
Navid Kermani liest aus dem Buch "Entlang der Gräben"
am 17. September, 20 Uhr im Zittauer Gerhart-Hauptmann-Theater
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. September 2021 | 16:10 Uhr