Ukraine-Krieg Streit um Unterbringung von Geflüchteten in Chemnitz
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Ein Chemnitzer Verein schlägt Alarm, weil er kein Geld mehr hat, um Geflüchtete aus der Ukraine in einer Jugendherberge unterzubringen. Statt mehr Geld zu bewilligen, schickt die Stadt plötzlich einen Bus, um das Haus zu räumen. Das scheitert jedoch.

Den vergangenen Freitag wird Andreas Schmieder vom Chemnitzer Verein zur Förderung der Solidarität, Demokratie und Bildung wohl nicht so schnell vergessen: "Ich war gerade bei einer Geburtstagsfeier, als ich einen Anruf bekam, dass die von unserem Verein in der Adelsberger Jugendherberge untergebrachten 41 Flüchtlinge aus der Ukraine abgeholt werden sollen", erinnert sich Schmieder. Als er wenig später mit der Stadt telefoniert und daraufhin seine E-Mails abruft, hat er Gewissheit: "Dort wurde 15:18 Uhr angekündigt, dass 15:30 Uhr ein Bus kommt, um die Flüchtlinge in die Flüchtlingsunterkünfte in der Altendorfer und der Reichenhainer Straße zu bringen."
Verein geht das Geld aus
Hintergrund: Der Verein hatte Alarm geschlagen, weil er mangels Geld die seit März betreuten 41 Geflüchteten am 9. Mai auf die Straße setzen müsse. "Da hat man unseren Hilferuf irgendwie missverstanden", wundert sich Schmieder. Laut eigenen Angaben bezahlt der Verein bisher pro Person 300 Euro im Monat, um die Menschen unterzubringen. Das ehrenamtliche Team um Andreas Schmieder möchte das auch gern weiterhin tun, benötigt dafür aber Geld von der Stadt. Die entsprechenden Verhandlungen haben laut Schmieder aber bisher keine Ergebnisse gebracht.
Stadt Chemnitz: Genügend Wohnungen vorhanden
Auf Anfrage von MDR SACHSEN teilte die Stadt Chemnitz mit, dass sie für die in der Adelsberger Jugendherberge untergebrachten Geflüchteten sofort mindestens 40 möblierte Wohnungen zur Verfügung stellen kann. Hinzu kämen Angebote von Genossenschaften und privaten Anbietern, hieß es.
Die Stadt übernimmt jetzt bereits für die Bewohner der Jugendherberge, die Sozialleistungen beantragt haben, die Kosten gemäß der gesetzlichen Regelungen. Dass diese Kosten nicht die Forderungen des Vereins decken, liegt nicht an der Stadt.
"Ich habe die Stadt diesbezüglich angeschrieben und nach den erwähnten Wohnungen gefragt, aber keine Antwort erhalten. Stattdessen stand am Freitag auf einmal der Bus vor der Tür", ärgert sich Vereinschef Schmieder. Eine Rolle spielt bei dem Streit um die Unterbringung vor allem das Geld. So teilte die Stadt Chemnitz mit, dass sie bereits jetzt für die Bewohner der Jugendherberge, welche Sozialleistungen beantragt haben, die sogenannten Kosten der Unterbringung übernimmt. Das sind Unterbringungskosten wie sie beispielsweise auch für Hartz IV-Empfänger gezahlt werden. "Dass diese Kosten nicht die Forderungen des Vereins decken, liegt nicht an der Stadt", teilte ein Sprecher mit.
Verein: Stadt setzt falsche Kosten an
Andreas Schmieder will dieses Argument nicht gelten lassen. "Die Kosten der Unterkunft sind für Menschen gedacht, die bereits eine Wohnung haben. In einer Gemeinschaftsunterkunft wie einer Jugendherberge, wo sie sich gegenwärtig befinden, sind sie potenziell von Obdachlosigkeit bedroht. In diesem Fall kommt die Regelung für Notunterkünfte zur Anwendung, wofür monatlich 390 Euro pro Person zur Verfügung stehen", bekräftigt Schmieder, der auch auf Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz verweist, wonach der Bund die Kosten für Geflüchtete aus der Ukraine ohnehin komplett übernimmt und es für Chemnitz somit nur ein Durchlaufposten wäre.
Neuer Gesprächstermin mit Stadt soll Lösung bringen
Gelöst ist die Situation nach wie vor nicht, denn die Geflüchteten stiegen am Freitag nicht in den Bus. "Die Polizei wollte zunächst meine Personalien aufnehmen, weil ich angeblich nicht kooperieren wollte. Dann haben die Flüchtlinge den Beamten aber erklärt, dass sie gut behandelt werden, sodass die Polizei wieder abgezogen ist."
Er könne nicht verstehen, warum die Stadt Menschen aus einem Kriegsgebiet in eine solche Situation bringt, in der sie innerhalb von zwölf Minuten ihre Koffer packen sollen. "Zumal niemand von der Stadt selbst anwesend war. Es stand lediglich ein Busfahrer mit einem Linienbus vor der Tür. Außerdem war noch ein Dolmetscher vor Ort", sagte Schmieder, der nach eigenen Angaben am Montag einen Termin von der Stadt erhält, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
MDR (sth)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Regionalreport | 09. Mai 2022 | 05:30 Uhr